26 Mai 2013

Über das Reisen

Ligurien, Mai 2013 © daniaebi
„Der Flüchtigkeit trotzen.
Nicht in Gedanken gleich weiterreisen und auch nicht mit der Vergangenheit verhaftet bleiben.
Die Kunst, anzukommen.
An einem, nur einem Ort zur selben Zeit zu sein.
Ihn mit allen Sinnen wahrnehmen.
Seine Schönheit, seine Hässlichkeit, seine Einzigartigkeit.
Sich überwältigen lassen, ohne Furcht.
Die Kunst zu sein, wo man ist.‟

Aus dem Roman «Das Herzenhören» von Jan-Philipp Sendker

22 Mai 2013

Wovor hast Du Angst?

Old monk in Samey, Dagana - www.markuswild.ch
„Nach ein paar Minuten des Schweigens fragte der alte Mönch noch einmal: «Wovor hast Du Angst?»

«Ich weiss es nicht», antwortete Tin Win leise. «Vor der Stille der Nacht. Vor den Stimmen des Tages. Vor dem fetten Käfer, der durch meine Träume kriecht und an mir nagt, bis ich aufwache. Vor Baumstümpfen, auf denen ich sitze und von denen ich falle, ohne je irgendwo aufzuschlagen. Und vor der Angst. Manchmal habe ich einfach nur Angst vor der Angst und kann mich dagegen nicht wehren. Sie ist stärker als ich.»

U May strich ihm mit beiden Händen über die Wangen.

«Jeder Mensch, jede Kreatur hat Angst. Sie umgibt uns, wie die Fliegen den Misthaufen des Ochsen. Tiere schlägt sie in die Flucht, sie reissen aus und rennen oder fliegen oder schwimmen, bis sie sich in Sicherheit wähnen oder vor Erschöpfung tot umfallen. Wir Menschen sind nicht wirklich klüger. Wir ahnen, dass es auf der Welt keinen Ort gibt, wo wir uns vor der Angst verstecken können, und trotzdem versuchen wir es. Wir streben nach Reichtum und Macht. Wir geben uns der Illusion hin, stärker zu sein als die Angst. Wir versuchen zu herrschen. Über unsere Kinder und unsere Frauen, über unsere Nachbarn und Freunde. Herrschsucht und Angst haben etwas gemein: Sie kennen keine Grenzen. Aber mit der Macht und dem Reichtum ist es wie mit dem Opium, das ich in meiner Jugend mehr als einmal probierte. Beide halten ihr Versprechen nicht. Das Opium brachte mir nicht das ewige Glück, es verlangte nur nach mehr. Geld und Macht besiegen die Angst nicht. Es gibt nur eine Kraft, die stärker ist als die Angst. Die Liebe.»”

Aus dem Roman «Das Herzenhören» von Jan-Philipp Sendker

16 Mai 2013

Verstand, Identifikation und Leiden

Diesen Artikel von Rolf Stangenberg möchte ich unbedingt weitergeben, denn er teilt ganz meine Ansicht.

Die meiste Energie verschwendet unser Verstand mit sinnlosem Denken, Grübeln und Zweifeln, das heißt mit der Beschäftigung mit Vergangenheit und Zukunft. Wenn wir uns mit diesem denkenden Teil unseres Verstandes identifizieren, machen wir uns von ihm abhängig und er bestimmt unser Verhalten. Wenn wir unserem Verstand jedoch nicht länger Macht über uns geben und uns nicht mehr mit ihm und seinen illusionären Inhalten identifizieren, stellt sich das Glück von ganz alleine ein.